Rund um Poesiealben

„Wer in dieses Büchlein schreibt,
den bitte ich um Sauberkeit.
Reißt mir keine Seiten raus,
sonst ist es mit der Freundschaft aus!“

Dieser wohlgemeinte Warnhinweis wurde oft von Poesiealbumbesitzern auf die erste Seite geschrieben und droht bei nicht pfleglichem Umgang mit dem Büchlein mit sofortiger Beendigung der Freundschaft. Ob solch harte Maßnahmen je umgesetzt wurden, ist nicht bekannt – aber bei der langen Tradition der Poesiealben nicht ganz ausgeschlossen.

Vorläufer unserer heutigen Poesiealben finden sich bereits im 16. Jahrhundert. In das sogenannte Stammbuch trugen sich Freunde mit einer Widmung, ihrem Wappen und Namen ein. Unter Studenten gab es den Brauch des album amicorum (Freundschaftsalbum), in dem sich neben den Kommilitonen auch berühmte Professoren mit Sinnsprüchen und Zeichnungen verewigten. Ganz nach dem Motto: je mehr Einträge, desto höher der Beliebtheitsgrad, zeugte das Album von Anerkennung und konnte als Empfehlungsschreiben dienen.

Stadtgeschichtlicher Einschub: Im Schloßbergmuseum Chemnitz wird ein Album Amicorum mit Eintragungen von 1797 bis 1891 ausgestellt. Es gehörte Ernst August Krause, der es zu Beginn seiner Kaufmannslehre in Chemnitz anlegte. Nach seinem Tod führte es sein Sohn Hermann Friedrich als Poesiealbum und Notizbuch weiter.

Allmählich erfreuten sich die Alben beim Adel, ab dem 19. Jahrhundert auch bei anderen Gesellschaftsschichten steigender Beliebtheit. Die Einträge wurden aufwendiger und bunter. In Alben, die Frauen gehörten, lassen sich besondere Verzierungen finden: getrocknete Blüten, seidene Stickereien, geflochtene Haarlocken. Dabei blieb die Aufteilung der Doppelseiten meist ähnlich: auf einer Seite wird der Spruch niedergeschrieben, die andere stand der kunstvollen Gestaltung zur Verfügung. Ausnahmen bestätigen aber wie immer die Regel.

In der Anfangszeit waren es hauptsächlich Erwachsene, die den Brauch pflegten. Im Laufe des 20. Jahrhunderts begeisterten sich immer mehr Jugendliche und Kinder dafür; die Büchlein entwickelten sich zu reinen Erinnerungszeugnissen, die mit Lebensweisheiten, guten Ratschlägen für das Erwachsenendasein, Gedichten, etc. gefüllt wurden.

Seit den 1980er Jahren finden Freundschaftsbücher mehr und mehr Verbreitung. Hier gibt es im Gegensatz zu den leeren Seiten der klassischen Alben bereits vorgedruckte Zeilen, die allerlei „Lieblings-Etwasse“ (Farbe, Tiere, Bücher, Gerichte, etc.) abfragen und bereits in den Kindergärten fleißig herumgereicht werden.

Doch ob klassisches Poesiealbum oder vorgedrucktes Freundschaftsbuch: noch immer ist es etwas Besonderes, ausgewählt zu werden und sich in ein solches Büchlein einzutragen, das den Freund/die Freundin im besten Fall durch das Leben begleiten wird.

Das Ende dieses Textes beschließt der Vollständigkeit halber nun noch das Pendant zum Eingangsspruch:

„Ich hab‘ mich hinten angewurzelt,
dass niemand aus dem Album purzelt.
Und wer dich lieber mag als ich,
der schreibe bitte hinter mich.“

Infos aus: wikipedia.de, Museumsführer KUNSTSAMMLUNGEN CHEMNITZ-Schloßbergmuseum, 2011