Melancholie

So heiter und leicht der Großteil aller Sprüche ist, so finden sich vereinzelt melancholische, Schwermut ausdrückende Zeilen.

Wie bitterschwer ist diese Zeit!
Das Glück verließ uns, ließ uns nur Leid!
Der Himmel ist hoch und fällt nicht herab,
die Erde tut sich nicht auf wie ein Grab.

Blüh wie eine Rose,
blüh und fall nicht ab.
Keine Krankheit stoße
Dich zu früh ins Grab.

Wenn dich die Menschen kränken,
weine nicht,
alles kannst du dir denken,
sag es nicht.
Hast du auch mal einen Schmerz,
Hilfe wird dir niemand geben,
denn die Menschen von heute
haben kein Herz.

Lebenspflichten
Rosen auf den Weg gestreut
Und des Harms vergessen!
Eine kleine Spanne Zeit
Ward uns zugemessen.

Heute hüpft im Frühlingstanz
Noch der frohe Knabe,
morgen weht der Totenkranz
schon auf seinem Grabe.

Lasset keine Nachtigall
Ungehört verstummen,
keine Bien im Frühlingstal
unbelauschet summen.

Fühlt, so lang es Gott erlaubt,
Kuß und süße Trauben,
bis der Tod, der alles raubt,
kommt, auch sie zu rauben.
– Ludwig Hölty (1748-1776) –

Nicht an die Güter hänge dein Herz,
die das Leben vergänglich ziern!
Wer besitzt, der lerne verliern,
wer im Glück ist, lerne den Schmerz.

Wenn ich einst gestorben bin,
geh zu meinem Grabe hin;
schreibe leise in den Sand,
diesen hab ich auch gekannt.